BILANZ-PRESSEMELDUNG Beim deutsch-tschechischen Festival „Zukunft denken. Corona-Krise als Chance?“ diskutierten am Wochenende Schriftsteller_innen über ihr Schreiben und Leben im Krisenmodus und stellten ihre jüngsten Bücher vor. 30. 11. 2020

Leipzig, 30.11.2020 - Viele Literaten sind Grenzgänger und für gewöhnlich auf den Bühnen Europas zu Hause, pendeln zwischen Ländern und Kulturen, ziehen daraus ihre Stoffe und Inspirationen. Seit Monaten haben sich ihr Alltag und Schreiben verändert. Wie blicken sie heute auf die Gesellschaften ihrer Länder, und wie schätzen sie die möglichen positiven Veränderungen ein, die die Krise, die aktuell alle verbindet, bewirken kann? Darüber diskutierten am Wochenende sieben Schriftsteller_innen beim deutsch-tschechischen Festival in der Schaubühne Lindenfels Leipzig und via Zoom. Martin Krafl, Koordinator der Reihe „Echo Tschechien“, und René Reinhard, künstlerischer Leiter der Schaubühne Lindenfels, führten durch die beiden Abende, die Botschafter Tomáš Kafka eröffnete: „Heute möchten wir Kultur lebendig machen, ihr einen Raum geben, um Covid-19 ein Schnippchen zu schlagen.“

Gleich zu Beginn zog Tereza Semotamová einen einschneidenden Vergleich: „Mit dem Einzug der Corona-Restriktionen fühlte ich mich so, als würden all meine apokalyptischen Gedanken realisiert. Was real passierte, übertraf, was sich Literatur hätte ausdenken können, und ich fragte mich: Wer schreibt gerade diesen Roman? Es war ein Gefühl wie im Krieg zu leben, aber mit Waffen, die völlig andere sind, als in den letzten Jahrhunderten: nämlich, zu Hause sitzen zu müssen!“ Das Virus schaffte ein neues Narrativ, forderte Solidarität ein, aber es wurde schwer, diese umzusetzen, so Heike Geißler: „Vor allem fehlte gesellschaftlich etwas, denn wir brauchen Möglichkeitsräume dafür, auf Ideen zu kommen, Ideen zu verwerfen, kommunikativ zu arbeiten. Kulturelle Orte sind ganz wesentliche Orte für Demokratien.“

Auch das Schreiben selbst habe sich durch die Corona-Krise verändert. Martin Becker stellte dar, wie ihm der Schrecken das Tempo genommen, seinen Schreibprozess verlangsamt habe. Auch das Denken veränderte sich, plötzlich hatte man einen anderen Zugang zu Nähe. Tereza Semotamová hob hervor, wie das Schreiben eine therapeutische Funktion bekam und damit zu ihrer Waffe gegen die Verlangsamung wurde. Aber Waffen dagegen, dass Literatur nicht mehr in ihrer ganzen Fülle präsentiert werden konnte, die gab es nicht, und in manchen Monaten wurde kein einziges Buch verkauft. Auch in Tschechien waren die Auswirkungen der Krise auf den Buchmarkt deutlich spürbar, dessen Diversität bedroht sei. Verlegerisch würden derzeit kaum noch Risiken eingegangen, und viele Buchhandlungen stünden vor der Schließung. Dies sind extreme Bedingungen, auch für Schriftsteller_innen, die, wie Viktorie Hanišová herausstellte, schon normaler Weise kaum vom Schreiben allein leben können. Vor allem in Deutschland habe sie mehr Auftritte als in Tschechien gehabt. Chancen der Krise sieht sie in der Stärkung des Austauschs auf digitaler Ebene. Diese führe zwar aus der Einsamkeit heraus, aber die Intensität gehe verloren: „Digitalisierung, zunächst angesagter Weg der Stunde, verliert allmählich ihren Zauber, wenn wir nicht daran arbeiten, die gefundenen neuen Kulturformate auch qualitativ zu erweitern, nicht nur in Richtung Entertainment.“ Ein Zugewinn sei allerdings, betonte Heike Geissler, dass diejenigen, die nicht reisen können, nun an Kulturveranstaltungen im ganzen Land partizipieren, es neue Zugänge und Teilhabe für alle gibt.

Trotz der Corona-Pandemie können wichtige tschechische Neuerscheinungen auf dem deutschsprachigen Buchmarkt gefeiert werden. Am zweiten Festivalabend las der Dichter Vít Slíva aus seinem ausdrucksstarken Gedichtband „Trommeln auf Fässer“ und brachte seine Sprache zum Klingen. Dass seine Gedichte auch Musiker inspirieren, illustrierten zwei Gedichtvertonungen. Darauf stellte Marek Toman sein Werk „Konditorei zum Schielenden Jim“ vor, in dem er Literatur bei einer Tasse Kaffee zu den Ganoven des Wilden Westens bringt und so in den Abenteurern die Lust am Denken und Lesen weckt. Zum Abschluss präsentierte Irena Dousková ihren Roman „Die weißen Elefanten“, der ein bewegendes Bild der Tschechoslowakei der 70er Jahre zeichnet. 

Alle Lesungen und Diskussionen stehen zum Nachhören auf Youtube bereit: https://www.youtube.com/watch?v=PBzLybPhx4g

Das deutsch-tschechische Festival fand im Rahmen der Reihe „Echo Tschechien 2020“ statt, die von der Mährischen Landesbibliothek Brünn im Auftrag des Kulturministeriums der Tschechischen Republik durchgeführt wurde, gemeinsam mit dem Tschechischen Literaturzentrum Prag, dem Tschechischen Zentrum Berlin, dem Generalkonsulat der Tschechischen Republik in Sachsen und zahlreichen Kooperationspartnern.

PRESSEKONTAKT

Echo Tschechien 2020                            

Susanne Meierhenrich

Pressesprecherin

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smeierhenrich@t-online.de       

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Schaubühne Lindenfels Leipzig 

Axel Kunz

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

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